IM SPOTLIGHT: SAFE SPACES CULTURE, EIN ORT DES ZUHÖRENS UND DER UNTERSTÜTZUNG

Donnerstag 10.11.22
Von: Corinne Jaquiéry

Im November 2021 startete das Syndicat Suisse Romand du Spectacle (SSRS) Safe Spaces Culture, ein Pilotprojekt für eine Anlaufstelle, die allen berufstätigen oder sich in Ausbildung befindenden Kulturschaffenden in der Romandie offen steht. Nach einem Jahr ist die Bilanz dieser Pilotphase positiv und könnte andere Regionen des Landes inspirieren. Ein Interview mit Anne Papilloud, Generalsekretärin des Syndicat Suisse Romand du Spectacle (SSRS).

Das Gespräch führte Corinne Jaquiéry.


Das Interesse verschiedener Kulturschaffender und der breiten Öffentlichkeit hat während der einjährigen Laufzeit des Projekts den Bedarf nach einem Ort des Zuhörens und der Unterstützung für Kulturschaffende bestätigt. Nun gilt es, diese wichtige Initiative mit der finanziellen Unterstützung der öffentlichen Hand sowie der Akteur:innen in der Romandie zu festigen und den Vorschlag eines ähnlichen Angebots in verschiedenen Regionen des Landes anzuregen.


Wie kam die Idee auf, Safe Spaces Culture zu gründen?


Safe Spaces Culture will Handlungsmöglichkeiten für Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen, die frei von Belästigung, Mobbing oder Diskriminierung im Kulturbereich sind. Da die von der SSRS erdachte Einrichtung der Anlaufstelle dem gesamten Kultursektor offen steht, erschien es uns naheliegend, einen Verein zu gründen, der auch andere Kultursektoren mit einbezieht.


Wie funktioniert dieser Ort des Zuhörens und der Unterstützung konkret?


Zunächst wird den Kulturschaffenden per Telefon aufmerksam zugehört, damit sie ihr Leiden am Arbeitsplatz schildern können. Die Vertraulichkeit wird dabei garantiert. Safe Space Culture bietet Notfalllösungen, Beratung und konkrete Lösungen an. Die Organisation hat einen Vertrag mit einem Anbieter geschlossen, der auf psychologische, rechtliche oder praktische Hilfe und Beratung spezialisiert ist. So kann beispielsweise Unterstützung bei der Analyse einer Mobbing-Situation angeboten oder Empfehlungen zur Erhaltung der Gesundheit und des Schlafs gegebene werden. Dazu gehören auch die Unterstützung bei der Identifizierung von Ressourcen in der Umgebung und bei den Berufsverbänden sowie ggf. Beratungen bei der Einleitung eines Gerichtsverfahrens.


Mehrere Berufsverbände oder Kulturstätten haben ihre eigenen Unterstützungsstrukturen. Warum sollten Sie Safe Spaces Culture hinzufügen?


Arbeitgeber im Kulturbereich greifen tatsächlich bereits auf Vertrauenspersonen in Unternehmen zurück, aber das ist immer noch sehr selten. Unsere Anlaufstelle richtet sich in erster Linie an Selbstständige, Arbeitnehmer:innen und Studierende im Kulturbereich, die keinen Zugang zu diesem Dienst haben. Die beiden Einrichtungen ergänzen sich also. Im Grunde waren es zwei Aspekte, die uns zur Gründung von Safe Space Culture motiviert haben. Der erste war der Schock, als wir feststellten, dass wir von einem Teil der Belästigungsfälle keine Kenntnis hatten. Wir dachten also, dass zumindest ein Teil der Personen es vorziehen würde, sich an eine dedizierte Struktur zu wenden. Wir bieten auch die Möglichkeit, sich direkt zu melden. In einer optimalen Arbeitswelt sollten Arbeitgeber:innen über eine Art Anlaufstelle in Form einer Vertrauensperson im Unternehmen verfügen, doch im Kultursektor, der überwiegend aus Kleinstunternehmen besteht, gibt es einen Mangel, da sie nicht über die nötigen Mittel verfügen. Safe Spaces Culture richtet sich daher an all jene, die sich nicht an eine Vertrauensperson im Unternehmen wenden können. Von Anfang an war es unsere Idee, auch Vertrauenspersonen in Unternehmen zu fördern, die die Arbeitnehmer:innen in der Praxis besser schützen.


Wie finanzieren Sie das Projekt?


Im Kulturbereich ist der SSRS ein Ansprechpartner für die öffentliche Hand. Wir haben uns daher an sie gewandt, um die Finanzierung dieser Anlaufstelle zu gewährleisten. Was die Pilotphase betrifft – die schnell eingerichtet wurde –, so waren es die Kantone Waadt und Genf sowie die Städte Lausanne und Genf, die sie finanzierten. Nun, da diese Pilotphase abgeschlossen ist und ein Bericht die Notwendigkeit eines solchen Raums des Zuhörens und der Unterstützung in der Westschweiz bestätigt, werden wir andere öffentliche Einrichtungen um Unterstützung bitten. Offenbar sind die Behörden in der Westschweiz wirklich daran interessiert, unsere Initiative dauerhaft zu etablieren, denn sie haben uns positive Signale in diese Richtung vermittelt.


Haben Sie vor, dies auf den Rest der Schweiz auszuweiten?


Wenn Deutschschweizer oder Tessiner Vereine diese Überzeugungsarbeit bei ihren Behörden und Kulturschaffenden leisten möchten, könnte die Stiftung eventuell als Dachorganisation fungieren, sofern dies gewünscht wird. Konkret: Wenn ein Verband wie Danse Suisse sich von unserem System inspirieren lassen möchte, ist das kein Problem. Wir wollen es nicht selbst ausbauen, weil ich der Meinung bin, dass die Betroffenen eine echte Verbindung zu den Vertreter:innen der öffentlichen Hand und der Berufsverbände in ihrer Region haben müssen. Es besteht ein Bedarf an regionaler Verankerung und einer Struktur, die als gültiger Ansprechpartnerin identifiziert werden kann. Andererseits wurde diese Westschweizer Einrichtung mit Finanzmitteln aus der Romandie geschaffen, und wenn dies in der Deutschschweiz oder im Tessin geschieht, werden regionale Finanzmittel benötigt. Im Moment versuchen wir, das in der Romandie bestehende System zu konsolidieren, sind aber für jede Form der Zusammenarbeit offen. In der Zwischenzeit kann sich eine junge Schülerin oder ein junger Schüler aus der Romandie, die oder der in der Deutschschweiz ausgebildet wird, oder eine Tänzerin oder ein Tänzer aus der Deutschschweiz, die oder der in der Romandie arbeitet und wohnt, an uns wenden.


Weitere Informationen: www.safespacesculture.ch


***Die Inhalte dieser Rubrik repräsentieren nicht zwingend die Position des Berufsverbands und liegen in der Verantwortung der Autor:innen.***