IM SPOTLIGHT: PHILIPPE BRAUNSCHWEIG

Dienstag 07.02.23
Von: Cyril Tissot

Philippe Braunschweig und seine Frau Elvire haben sich tatkräftig für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Tänzer:innen eingesetzt. Wir werfen einen Blick zurück auf den Werdegang dieses aussergewöhnlich dynamischen Tanzunternehmers.

Wie wurde ein Uhrenindustrieller aus La Chaux-de-Fonds so tanzbegeistert, dass er einen renommierten internationalen Tanzwettbewerb wie den Prix de Lausanne ins Leben rufen konnte? Die Geschichte von Philippe Braunschweig ist erstaunlich, denn nichts hätte erahnen lassen, dass dieser Sohn eines Neuenburger Industriellen, der nach einer Ausbildung zum Physiker selbst zum Industriellen wurde, sich mit Leib und Seele für die Anliegen der Tänzer:innen einsetzen würde. Aufgrund seiner breitgefächerten Neugierde interessierte er sich zunächst für Leichtathletik und Boxen! Auch der Tanz spricht ihn an, da er die Schönheit der Kunstform mit der Körperschulung verbindet. Als Jugendlicher entdeckte er den Tanz durch Texte von Antonin Artaud und Tolstoi. «Damals gab es in La Chaux-de-Fonds keine Tanzaufführungen», gesteht er. Bei Madame Sedova, einer berühmten russischen Tanzlehrerin in Cannes, wo er Unterricht nahm, lernte er eine junge Ballerina kennen, die eine grosse Zukunft vor sich hatte: Elvire Kremis. Er ist gerade einmal zwanzig Jahre alt, als er die Tänzerin heiratet.


Das ganze Leben für den Tanz

Das Paar bereist die ganze Welt. Philippe Braunschweig begleitet Elvire in die Theater, nach Brüssel zu Béjart und seinem Ballett des 20. Jahrhunderts, nach London zu Margot Fonteyn und Rudolf Nurejew. Seine verzehrende Leidenschaft für den Tanz wächst mit der Liebe... Was haben diese beiden Menschen gemeinsam, der Erbe aus Neuenburg, der auf eine Art und Weise erzogen wurde, die man als calvinistisch bezeichnen würde, wenn seine Wurzeln nicht jüdisch wären, und die schöne Russin, die alles ihrer Kunst opfert, selbst wenn sie nicht jeden Tag genug zu essen hat? Ihre starke Liebe überwindet jedoch alle Widerstände. Philippe Brauschweig reist als Direktor von Portescap vom Fernen Osten bis nach Lateinamerika und erkundet neue Märkte. Er ahnt, dass das wertvolle Patent Incabloc, das sein Vater entwickelt hat, mit dem Aufkommen der Quarzuhr an Bedeutung verlieren wird, und entwickelt neue innovative Produkte, angefangen bei Mikromotoren. Mit 59 Jahren gibt Philippe Braunschweig sein Unternehmen jedoch auf, um sich voll und ganz dem Tanz zu widmen.


Entstehung des Prix de Lausanne

Mit Elvire gründete er 1973 den Prix de Lausanne, der jungen Talenten die Möglichkeit geben sollte, sich auf der Bühne auszudrücken, damit sie von internationalen Tanzkompanien oder renommierten Ausbildungsstätten entdeckt werden können. Dank des Paares konnte das Publikum auf der ganzen Welt tänzerische Supertalente wie Benjamin Millepied, Carlos Acosta, Latitia Pujol, Aki Saito oder Mackenzie Brown entdecken (siehe dazu die Rubrik NICHT MEHR UND NICHT WENIGER zum 50-jährigen Bestehen des Prix de Lausanne). Neben dem Prix de Lausanne widmete er seine Zeit und organisatorischen Fähigkeiten dem Schweizer Dachverband der Tanzschaffenden (gegründet 1974 - 30 Jahre später wurde Danse Suisse dessen Nachfolger), der Internationalen Organisation für die Umschulung von Berufstänzern (ab 1993) und der Ecole supérieure de danse de Cannes Rosella Hightower (ab 1999). Er war auch im Vorstand der Schweizerischen Ballettberufsschule in Zürich (der späteren Tanz Akademie Zürich) und für das Schweizer Tanzarchiv in Lausanne tätig. Engagiert organisierte er Kolloquien in La Chaux-de-Fonds, Lausanne, New York und Monte Carlo. 1987 veranlasste er Maurice Béjart, den er seit langem kannte, sich in Lausanne niederzulassen. Als Student war Philippe Braunschweig Statist im Ballett Dornröschen, das im Hallenstadion in Zürich vom International Ballet aufgeführt wurde, bei dem Béjart Solist war. Jahre später fanden die beiden Männer über Elvire wieder zusammen. Der Choreograf versprach Braunschweig seine Unterstützung beim Prix de Lausanne und vertraute darauf, dass ihn sein Freund beim Aufbau und Leitung des Béjart Ballet Lausanne (1987-1992) unterstützen würde.


Philippe Braunschweig, der mit seiner Frau Elvire eine innige Beziehung führte, überlebte den Tod seiner Frau im Jahr 2007 nur um drei Jahre. Er starb am 10. April 2010 und wurde von der gesamten Branche schmerzlich vermisst. Seine Autobiografie Un double destin, de l'horlogerie à la danse, erschien 2012 bei Payot: «Dieses Buch ist für mich ein Anreiz, weiterzumachen. Aber es ist auch ein Mittel, um mein eigenes Leben zu verstehen», vertraute er dem Journalisten, Schriftsteller und Tanzspezialisten Jean-Pierre Pastori an. Am 30. Januar wurde in Lausanne eine Gedenktafel zu Ehren von Elvire und Philippe Braunschweig enthüllt (siehe unseren Artikel zu diesem Thema).

* Nach Auszügen aus Artikeln in 24 heures, Le Temps, Arcinfo und L'Hebdo.

***Die Inhalte dieser Rubrik repräsentieren nicht zwingend die Position des Berufsverbands und liegen in der Verantwortung der Autor:innen.***