20 JAHRE DANSE SUISSE: 2. MEILENSTEIN

Sonntag 21.04.24
Von: Danse Suisse

Entdecken Sie nach unserem ersten Meilenstein, der Gründung von Danse Suisse, die zweite Etappe unserer Geschichte von Danse Suisse. Ein Interview zwischen Gianni Malfer, dem ehemaligen Geschäftsführer, und der Präsidentin Kathleen McNurney gibt Einblick in den fortschreitenden Vereinigungsprozess und der Eröffnung der ersten offiziellen Geschäftsstelle von Danse Suisse. Die Geschichte führt zurück nach Bern...

Kathleen: Ich weiss, dass du dich schon immer für den Tanz engagiert hast, sowohl als Tänzer als auch als Tanzorganisator. Was ich aber nicht weiss, ist, wie du zu Danse Suisse gekommen bist?


Gianni: Die Reise begann mit einer Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren im Tanzbereich, unter der Leitung von Pro Helvetia. Sie trafen sich zu mehreren wichtigen Anlässen, um verschiedene Themen innerhalb der Tanzszene zu diskutieren. Eines der Ergebnisse dieser Diskussionen war ein Dokument mit dem Titel "Projekt Tanz". In diesem Dossier wurde die Notwendigkeit einer Einheit und einer strategischen Planung innerhalb des Tanzsektors dargelegt, nämlich der Zusammenschluss der drei grossen Verbände (siehe 1. Meilenstein Danse Suisse), der schliesslich zur Gründung von Danse Suisse führte. Das hat mich interessiert, weil ich in Deutschland an ähnlichen Projekten gearbeitet habe. Die meisten meiner Tätigkeiten waren mit dem Landesbüro Tanz, einer sehr starken Organisation, die die Tanzmesse ins Leben gerufen hat, und dem Tanzplan. Der Tanz muss stark sein, und wir müssen eine gemeinsame Stimme haben. Der Beruf als solcher, das Tanzen und alle damit verbundenen Berufe, wurden nicht wirklich unterstützt und wertgeschätzt. Oliver Dähler und Theres Messerli fragten mich, ob ich an der Vereinigung der drei Verbände mitarbeiten wolle. Ich sagte ja, und sie fragten mich, ob ich Interesse hätte, danach das Amt des Präsidenten zu übernehmen, was ich ablehnte. Das wollte ich nicht tun. Damals hatten sie mich aber noch nicht gefragt, ob ich Geschäftsführer werden wollte, das kam erst später.


Kathleen: Welches Ziel wurde konkret verfolgt bei der Zusammenführung der drei verschiedenen Tanzverbände zu Danse Suisse?


Gianni: Das Hauptziel bestand darin, die zerstückelte Tanzgemeinschaft in eine einheitliche Organisation, Danse Suisse, zu überführen. Das war wichtig, weil man davon ausging, dass die Schweizer Regierung, insbesondere das BAK (Bundesamt für Kultur), ab 2010 die Künstlerverbände per Gesetz subventionieren würde. Durch die Konsolidierung der drei Verbände wollten wir eine stärkere, besser organisierte Front schaffen, die die Interessen der Tänzer:innen wirksam vertreten und die notwendigen Finanzierungsmittel von der Regierung sichern konnte.


Kathleen: Kannst du einen Einblick in die Anfänge der offiziellen Geschäftsstelle von Danse Suisse geben?


Gianni: Nun, der Prozess der Vereinheitlichung und Professionalisierung verlief relativ zügig und dauerte nicht länger als vier Monate. Es ging schnell. Wir zogen in ein Büro in Bern um, das sich in einem historischen Haus befand, das einst der Tochter von C.C. Jung gehörte und das auch neben einer psychiatrischen Praxis lag. Ich fand es sehr dunkel und ein bisschen feucht; komplett mit Tapeten und Teppichboden überzogen. Es war ziemlich seltsam.


Das letzte halbe Jahr in Bern war ich bereits mit Liliana Heldner Neil zusammen. Als wir von Zürich gependelt sind, haben wir uns um 08.00 Uhr in den Zug gesetzt, unsere Laptops geöffnet und angefangen zu schreiben, zu antworten und zu diskutieren. Wir schlossen sie, gingen ins Büro und öffneten die Laptops wieder. Niemand kam, niemand klingelte, also arbeiteten wir weiter. Am Ende der Nacht legten wir die Laptops weg und fuhren dann im Zug mit den Laptops fort. Irgendwann wurde uns klar, dass das lächerlich war!

Also kam Liliana für ein halbes Jahr zu mir nach Zürich und wir arbeiteten dort.

Der anschliessende Umzug in ein privates Büro an der Kasernenstrasse in Zürich wurde dann durch die Schweizerische Interpretengesellschaft (SIG) ermöglicht, die die Liegenschaft kaufte und andere Vereine zu einem Umzug eingeladen hatte. Reso beschloss, dorthin zu gehen, und dann sprang Christoph Reichenau sofort auf den Zug auf und meinte, wir müssten mit nach Zürich gehen. Dieser Umzug war ein wichtiger Schritt zur Zentralisierung der Aktivitäten und zur Professionalisierung der Tanzgemeinschaft.


Kathleen: Wie hat sich Danse Suisse nach dem Umzug nach Zürich entwickelt?


Gianni: Nachdem Danse Suisse vereinheitlicht war, mussten wir damit beginnen, all diese Projekte zu professionalisieren: Talentscouting Days (damals Berufsberatungstage), der Wettbewerb in Solothurn und summerdance. Und natürlich war summerdance in Saignelégier. Es hat drei Jahre gedauert, bis wir da waren, wo wir hinwollten. Am Anfang war es nicht einfach und es gab viel Arbeit. Ich erinnere mich besonders an die vielen Treffen, die "Ständige Konferenz Tanz", wo wir die rechtlichen Grundlagen schaffen mussten.


Kathleen: Beinhaltet das auch die Etablierung des EFZ?


Gianni: Das ist richtig, aber es war schwierig, weil wir Genf und Zürich unter ein Dach bringen und beide einbeziehen mussten. Und dann war es noch komplizierter, weil sowohl Lausanne als auch Genf das EFZ wollten. Christoph Reichenau, Präsident von Danse Suisse, war uns in diesem schwierigen Prozess eine grosse Hilfe.


Kathleen: Und nun zurück zu dir, Gianni. Was war deine Strategie als Geschäftsführer des Verbandes?


Gianni: Meine Erfahrung hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, sich für die strukturellen Probleme in der Tanzbranche einzusetzen und zusammenzuarbeiten. Ich erkannte die Notwendigkeit einer einheitlichen Stimme, die sich für die Anerkennung und Unterstützung des Tanzes als Beruf einsetzen kann. Durch die Zusammenarbeit mit Interessengruppen und die Nutzung strategischer Partnerschaften wollten wir den Stimmen der Tänzer:innen und Choreograf:innen Gehör verschaffen und uns für ihre Bedürfnisse auf regionaler und nationaler Ebene einsetzen. Darüber hinaus haben wir durch Initiativen wie das Transition-Programm unser Engagement für die berufliche Entwicklung von Tänzern und die Beseitigung von systembedingten Ungleichheiten in diesem Bereich unterstrichen.


Kathleen: Dein Engagement für die Förderung des Tanzberufs in der Schweiz ist wirklich inspirierend. Wie stellst du dir die Zukunft von Danse Suisse vor, insbesondere im Hinblick auf die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen und die Förderung des Wachstums innerhalb der Tanzgemeinschaft?


Gianni: Mit Blick auf die Zukunft glaube ich, dass Danse Suisse eine zentrale Rolle bei der Gestaltung und bei der Entwicklung des Tanzes in der Schweiz spielen muss. Dazu gehört die Förderung der Zusammenarbeit mit Bildungsinstitutionen, politischen Entscheidungsträgern und kulturellen Organisationen, um die Finanzierung und die Ressourcen für Tanzinitiativen zu sichern, sowie auch die berufliche Entwicklung und das Wohlergehen von Tänzer:innen und Choreograf:innen zu fördern. Ich bin zuversichtlich, dass Danse Suisse mit einem proaktiven Ansatz und kollektiven Bemühungen weiterhin wichtige Impulse für positive Veränderungen in der Schweizer Tanzlandschaft geben wird.


Kathleen: Vielen Dank, Gianni, dass du deine Erkenntnisse und Erfahrungen mit uns geteilt hast. Dein Engagement für Danse Suisse und die Schweizer Tanzszene ist wirklich bewundernswert!


Gianni: Es war mir ein Vergnügen!


Biografie Gianni Malfer

Gianni Malfer begann sein Tanzstudium in Zürich bevor er die Tänzerausbildung in klassischem und zeitgenössischem Tanz an der Rambert Academy, in London abschloss.

Es folgten Engagements in Reggio Emilia (1983) und beim Ballett Schindowski, Gelsenkirchen (1984–93).

Er studierte Kulturmanagement an der FernUni Hagen und leitete während zehn Jahren verschiedene internationale Tanzfestivals in Nordrhein-Westfalen, war u.a. langjähriger Mitarbeiter beim Landesbüro Tanz in Köln und entwickelte als Geschäftsführer des Choreographischen Zentrums NRW (jetzt PACT) ein umfassendes Weiterbildungskonzept für Tänzer und angehende Choreograf:innen in Essen.

2001 wurde er Assistent von Heinz Spoerli beim Zürcher Ballett. 2007 bis 2008 arbeitete er als Materialsammler für die Mediathek tanz.ch. 2008 übernahm er bis April 2014 die Geschäftsführung des neustrukturierten Berufsverbands der Schweizer Tanzschaffenden, Danse Suisse.