IM SPOTLIGHT: KULTURMAGAZINE KÄMPFEN UM IHRE EXISTENZ
Die Zahl der Magazine, die sich ausschliesslich mit Kultur beschäftigen, nimmt von Jahr zu Jahr ab. Zum Glück gibt es einige, die sich behaupten können. Ein Blick auf die Schweiz.
Laut einer Studie, die 2021 von ch-intercultur in Auftrag gegeben wurde, macht der Kulturjournalismus fast 10 % aller Artikel in den Schweizer Nachrichten aus. Dieser Anteil ist seit 2015 stabil und in der Romandie mit 13 % etwas höher, während er in der Deutschschweiz auf 9 % und im Tessin auf 8 % sinkt. Viele Artikel betreffen Vorpremieren von Aufführungen, insbesondere von Tanzaufführungen, Recherchen in Kulturkreisen oder Künstlerporträts, während die Kulturkritik abnimmt. So hat sich von 2015 bis 2017 die Zahl der Kritiken fast halbiert. Wir werden in einem der nächsten Newsletter auf dieses Thema zurückkommen. Andererseits halten sich einige Kulturhefte trotz finanzieller Schwierigkeiten und der notwendigen Integration in Massenmedien oder anderen Medien (wie dem Magazin CultureEnjeu, das sich L'Agenda angeschlossen hat) über Wasser. Die Jüngsten sind online und bieten einen Überblick über das regionale oder schweizerische Kulturgeschehen. Seit Kurzem bietet Pro Helvetia ihr eigenes Online-Magazin V/A - Various Artists an. Es ist der Nachfolger der gedruckten Zeitschrift Passagen, die bis 2015 von Pro Helvetia produziert wurde.
V/A - Various Artists wird von einer unabhängigen Redaktion betreut und richtet sich an internationale Künstler und Kulturschaffende. Anhand ausgewählter Artikel widmet sich das Magazin deren Erfahrungen, Perspektiven und Praktiken. Dezentral, vernetzt und überraschend bietet V/A ein Forum für Autoren:innen sowie Kulturschaffende, die in verschiedenen Disziplinen, Ländern und Kontexten tätig sind.
Erhalten Sie im Folgenden einen Überblick der Kulturmagazine in den drei Schweizer Sprachregionen. Die Auswahl wird laufend ergänzt.
Westschweiz:
CultureEnjeu
Die 2004 eingeführte Zeitschrift CultureEnJeu setzt sich für eine ausführliche und ausgewogene Berichterstattung über das kulturelle Geschehen ein. Sie nimmt sich Zeit für die künstlerischen, politischen und finanziellen Herausforderungen, die die Kulturlandschaft der Schweiz und insbesondere der Romandie prägen. Mit scharfsinnigen und informierten Analysen und Umfragen, die künftige politische und öffentliche Debatten vorwegnehmen, möchte CultureEnJeu einen fundierten Blick bieten, der speziell die Perspektive von Fachleuten, politischen Vertreter:innen und Entscheidungsträger:innen bereichert. CultureEnJeu versteht sich als Ort des Austauschs und der Debatte sowie als Raum für Meinungsäusserungen.
Seit Dezember 2022 kollaboriert CultureEnJeu mit L'Agenda, einem weiteren Magazin, das den Akteur:innen und Konsument:innen der Westschweizer Kultur wohlbekannt ist. Konkret erscheinen die beiden Publikationen sechsmal im Jahr als eine einzige Zeitschrift, deren unterschiedliche Inhalte jedoch Kopf an Kopf platziert werden. Jede Zeitschrift wird als eigene Einheit aufgebaut, die ihre Besonderheiten beibehält. Aber diese gemeinsame Unterbringung ermöglicht es, die Kräfte zu bündeln, sich gegenseitig zu inspirieren und von den jeweiligen Kenntnissen und Erfahrungen zu profitieren. Und vor allem: den Horizont der Leserschaft zu erweitern.
Die Agenda
L'Agenda ist eine Kulturzeitschrift, die sechsmal im Jahr erscheint. Mit ihren Spezialbeiträgen und ihrem Veranstaltungskalender für den Genferseeraum berichtet die Zeitschrift über die künstlerischen Höhepunkte der Region, sei es Theater, Musik, Tanz, Zirkus, Theater für junges Publikum oder Ausstellungen.
Seit Dezember 2022 kooperiert sie mit CultureEnjeu.
La Couleur des Jours
La Couleur des Jours ist eine vierteljährlich erscheinende Zeitung, die Autor:innen, Journalist:innen, Fotograf:innen oder Künstler:innen auf ihren Seiten willkommen heisst. Bei der Veröffentlichung der Geschichten, Kolumnen, Reportagen oder visuellen Beiträge wird genügend Freiraum gegeben, um die eingefangenen Augenblicke, das Glück oder die Unzufriedenheit mit einer persönlichen Note auszudrücken.
Scènes Magazine
Scènes Magazine ist eine kulturelle Monatszeitschrift, die 1986 von einigen Westschweizer Journalist:innen, Professor:innen und Kunstkritiker:innen in Genf gegründet wurde. Es spiegelt das Kunstleben in der Romandie und der Deutschschweiz wider, ist aber auch weit nach Paris, Lyon usw. geöffnet und bietet Vorberichte, Interviews, Reportagen und Künstlerporträts sowie einen Monats- und Jahreskalender.
EPIC-Magazine
Das 2014 ins Leben gerufene EPIC-Magazine, oder einfach EPIC (Espace de Promotion pour l'Imagination et la Culture), ist ein Webmagazin, das die lokale und aufstrebende Kultur in Genf und Umgebung in den Mittelpunkt stellt.
Seit seinen Anfängen hat es sich EPIC zur Aufgabe gemacht, Künstler:innen, Tätigkeiten, Orte und Veranstaltungen mit relativ geringem Bekanntheitsgrad zu fördern und einen frischen und neugierigen Blick auf die aktuelle Kulturszene zu werfen. Um dies zu erreichen, nutzt das Magazin verschiedene Kanäle: Artikel, Videos, Podcasts, aber auch Partnerschaften mit anderen Kulturschaffenden, die dieselben Ziele verfolgen. Das Redaktionsteam besteht aus ehrenamtlichen Redakteur:innen mit unterschiedlichen Interessen und Profilen, um eine Vielfalt an Stilen und Kategorien zu fördern.
Quatrième Mur
Quatrième Mur ist ein kürzlich lanciertes Webzine-Projekt und eine Presseagentur, die sich auf die Berichterstattung über die darstellenden Künste (Theater, Musik, Tanz, Zirkus ...) in der französischen Schweiz spezialisiert hat. Mit Kritiken, Reportagen, Interviews oder Porträts und etwa zehn Artikeln pro Woche wird versucht, die enorme Vielfalt des Westschweizer Kulturangebots zu beleuchten. Dabei beschränkt sich das Angebot an Aufführungen und Konzerten weder auf grosse Bevölkerungsgruppen noch auf die beliebtesten Veranstaltungen.
Deutschschweiz:
Frida Magazin – das wilde Herz der Kultur
Das Magazin aus Chur, welches seit März 2022 besteht, möchte durch spielerische und experimentelle Texte dem Kulturjournalismus in der Deutschschweiz neue Impulse verleihen. Dabei erscheinen nebst den Kultursparten Theater, Musik, Literatur im engen Sinne auch Themen über das aktuelle Zeitgeschehen wie der Gleichberechtigung der Geschlechter oder das Zusammenleben der Generationen. Nebst dem wöchentlichen Newsletter werden mindestens 96 Artikel pro Jahr herausgegeben. FRIDA ist nicht nur ein journalistisches Medium, sondern auch eine Plattform für Kommentare, Essays, Bilder und Videos von Kulturschaffenden. Zudem gibt es das Kulturmagazin FRIDA nun auch zum Hören unter dem Audioformat FRIDA Hört Hin.
Saiten
Seit April 1994 erscheint das Kulturmagazin Saiten monatlich in der Ostschweiz. Es liegt in zahlreichen Kulturorten, Geschäften, Restaurants und öffentlichen Institutionen in der Region Ostschweiz auf.
Das Magazin entstand ursprünglich aus dem Umfeld der inzwischen aufgelösten Musikervereinigung «Pop me Gallus» und beinhaltet zusätzlich einen Veranstaltungskalender. Der «Kulturbegriff» ist bei Saiten sehr offen definiert und reicht in sämtliche Lebensbereiche. Dies spiegelt sich in den Titelthemen des Magazins wider, die es prägen und ihm seinen Charakter verliehen haben. Dazu gehören Themen wie Interkultur, Mundart, Fussball, Quartierleben, Verkehr oder Neue Frauenbewegung.
ensuite
Die Kunst- und Kulturzeitschrift mit Veranstaltungskalender ensuite aus Bern wurde 2002 durch Lukas Vogelsang gegründet. Bisher wurden im Total mit allen Magazinen (Zürich, artensuite, Dance ensuite und dem ersten SPEZIAL) im März 2023 bereits 379 Magazine herausgegeben.
Seit 2003 bezeichnet sich ensuite - Zeitschrift für Kultur & Kunst als das grösste nationale und freie, unabhängige Print-Kulturmagazin der Schweiz und produzierte seit 2007 neben der Berner auch eine Zürcher Ausgabe sowie einen separaten Kunstteil: ArtEnsuite. Seit 2017 gibt es eine französische Zweigniederlassung in Môtier im Kanton Freibourg. Zurzeit hat das Printmagazin ein neues Digital-Projekt gestartet. Die Datenbanken und deren Konzepte werden komplett überarbeitet und online zugänglich gemacht.
Frachtwerk – onlinekultur aus der stadt
Seit fünf Jahren berichtet das Kulturmagazin frachtwerk auf seiner Onlineplattform über die Innerschweizer Kulturlandschaft. Im Kulturmagazin werden mehrmals wöchentlich spannende, diverse und hintergründige Geschichten aus den Sparten Musik, Film, Theater, Literatur und den darstellenden Künsten präsentiert. «Egal, ob mit Stift und Papier, Laptop oder Smartphone, Kamera oder Mikrofon: Die mittlerweile 20 bis 30 jungen Journalist:innen von frachtwerk sind immer dort, wo Kultur gelebt wird.» So beschreibt sich frachtwerk auf seiner Website. Weiter setzt sich das Magazin aktiv für die Ausbildung von jungen interessierten Schreibenden ein und möchte so seinen Teil zum Kulturjournalismus von morgen beitragen. Die Autoren:innen erhalten deshalb Zugang zu internen und externen Workshops, Vorträgen und Mentoren.
041 - Das Kulturmagazin
10 Mal pro Jahr erscheint das Kunst- und Kulturschaffen im Raum Luzern verpackt in überraschenden Titelgeschichten, kompetenten Rezensionen und ausgesuchten Veranstaltungshinweisen. Im Abo inbegriffen ist die Literaturpause, die zweimal jährlich im Juli und im Dezember mit dem Magazin erscheint. Herausgeberin ist die IG Kultur Luzern.
ch-cultura.ch
Das vollständig freie und frei zugängliche Online-Kultur-Portal der Schweiz dient seit Januar 2009 auf fünf Kanälen täglich neu dem Informations- und Meinungsaustausch zur Kultur in der Schweiz. Herausgeber der durchschnittlich fünf Beiträge pro Tag ist der für dieses Engagement ehrenamtlich tätige Schweizer Kulturvermittler und Journalist Daniel Leutenegger.
ch-cultura.ch befasst sich mit sämtlichen Sparten und gedeiht mit einem möglichst breiten Verständnis von Kultur, immer aber mit Schweizer Bezug - dies nicht aus patriotischen Gründen, sondern um den Wirkungsraum in nachvollziehbaren, "erlebbaren" Kreisen zu halten. Auch das Archiv der bisher erschienenen Beiträge mit Abertausenden von Texten, Bildern, Links etc. kann kostenlos besucht und benutzt werden.
ch-cultura.ch finanziert sich durch ehrenamtliche Leistungen, Spenden und Zuwendungen, damit der Zugang zur Kultur für niemanden durch finanzielle Barrieren versperrt wird.
Bei einer (erhofften) Verbesserung der finanziellen Lage von ch-cultura.ch soll insbesondere in die Mehrsprachigkeit, in die angemessene Honorierung von KünstlerInnen-Beiträgen, in die Entwicklung neuer Formen von Online-Kultur(-Vermittlung) und in die technische Aktualisierung der Webseite investiert werden.
Ensemble
Die Zeitschrift Ensemble wurde 1987 gegründet und erschien zuerst in unregelmässigen Abständen und seit 1996 vierteljährlich. Sie wird den Mitgliedern gratis zugestellt. 2016 erlebte das Ensemble einen Relaunch. Das Magazin wird in den drei Landessprachen deutsch, französisch und italienisch geführt und berichtet über interessante, berührende, politische und unterhaltsame Themen.
Tessin:
Im Tessin erscheint in den Tageszeitungen (Il Corriere del Ticino - Cdt, La Regione) manchmal eine Kulturbeilage. Zudem gibt es einige Online-Plattformen (l'Osservatore, Azione - der Migros-Genossenschaften), die über Kultur schreiben und eine spezielle Sendung von Radiotelevisione Svizzera italiana (Rsi) namens Cult+, die über Jugendkultur spricht und die jüngeren Generationen für die kulturellen Aktivitäten der Gegenwart sensibilisieren will. Es kursiert auch eine Studentenzeitschrift namens Square, die von der Usi (Università della Svizzera italiana) herausgegeben wird und sich mit verschiedenen kulturellen Themen befasst, einschliesslich der regionalen Kultur. Die einzigen Online-Plattformen, die sich dem Tanz widmen, sind DanzaSIA (der regionale Berufsverband) und Isadora Danza - eine neue Online-Plattform. Aber hier geht es oft mehr um Informationen über Aufführungen als um echte Kritik in diesem Bereich.
L'Osservatore
L'Osservatore ist eine Online-Plattform, die sich der ausführlichen Berichterstattung über kulturelle, wirtschaftliche und wissenschaftliche Themen widmet. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Tessin, aber auch auf den italienischen Grenzprovinzen und Mailand. Sie ist aus der Initiative einiger Journalisten:innen der 2018 eingestellten Tageszeitung Giornale del Popolo hervorgegangen.